Was ist da passiert, meine Damen und Herren?

Manchmal ertappt man die Presse bei interessanten Schwindeleien. Nun, nichts kriminelles. Nur so Sachen am Rande. Aber immerhin.

Vor nicht allzu lange Zeit noch wurde Argentinien hoch gelobt für seine Wirtschaftspolitik. "Erfolg gegen jede Regel" schlagzeilte die Zeit 2007. "Als Argentinien vor zwei Jahren mit einer Umschuldung seine Gläubiger düpierte, sahen Experten schwarz für das Land. Doch das erlebt nun enormes Wachstum und viel Zuspruch."

Soso. In der Haut dieser Experten möchte ich jetzt nicht stecken. Irgendwie läuft es nämlich nicht mehr so dolle rund bei den Gauchos. Und das hätte man zum Zeitpunkt dieses Artikels auch schon wissen können. Noch einmal Auftritt der Zeit, 2010: "Lügen, täuschen und behindern. Néstor und Cristina Kirchner haben mit ihrer desaströsen Wirtschaftspolitik Argentinien verarmen lassen."

Wie doof muss man denn sein, dass man eine 180-Grad-Wende nötig hat, weil sich die Realität einfach nicht an die eigenen Storys halten will? Die ganze Angelegenheit zeigt wundervoll, wie stark man mitunter von Journalisten in die Irre geführt wird.

Und als Notiz am Rande: Wenn in einem beliebigen Presseerzeugnis der Satz "Doch nun ..." auftaucht, dann heißt das: Irgendwann, letzte Woche, letztes Jahr, so genau weiß das keiner. (Das "nun" ist wohl das intellektuelle Äquivalent zum "jetzt" der Bildzeitung.) Wenn in der Zeit steht, das Prinzip der Netzneutralität werde "nun" in Frage gestellt, weiß man nicht so recht: Lachen oder Weinen? Ist ja schön, dass sich die überregionale Presse mit der Angelegenheit beschäftigt. Aber wenn ich nach 2 Sekunden bei Telepolis einen Artikel von 2006 finde, der da lautet "Expresszustellung kostet extra. Das Internet auf dem Weg in die Zweiklassen-Gesellschaft?", kann das nicht gut sein. Wer bei solchen Details schlampt - sei es aus Unkenntnis, oder weil in jeden Artikel nun mal ein "nun" gehört - lebt gefährlich. Wie soll ich im großen Vertrauen haben, wenn nicht mal das kleine hinkommt? Nochmal als unmissverständliche Ansage: Die Netzneutralität wird in Frage gestellt, seit Leuten aufgefallen ist, dass man mit dem Internet richtig Kohle machen kann. Und das ist eine Weile her.