Google Street View - privatwirtschaftliche Stasi 2.0?

Neulich hatte ich mit einem Bekannten eine Diskussion über die Gefahr, die Googles Dienst Street View darstellt. Zugegebenermaßen bin ich bei Google im Zweifelsfall eher für den Angeklagten, während die Öffentlichkeit das meiner Meinung nach umgekehrt handhabt. Zumindest bisher und ohne lange darüber nachzudenken, habe ich die Street-View-Affaire unter "billiger Populismus", Fach "Google Bashing" eingeordnet.

Worum geht es im Detail? Google möchte zu seinem Kartendienst Maps auch Straßenansichten hinzufügen. Dazu sind Kamerawagen unterwegs, die jede Straße abfotografieren. Offensichtlich treten zwei Probleme auf: Was ist mit den Menschen, die dabei fotografiert werden? Und was ist mit den Häusern? In Deutschland ist der Dienst heftiger umstritten als in anderen Ländern. Paradox: Über 90% der deutschen Suchanfragen landen bei Google, das sind mehr als in den meisten anderen Ländern (USA: 68%). Was jetzt genau Google vorgeworfen wird, habe ich bisher offen gesagt nicht verstanden. Irgendwie ist man der Meinung, eine freiwillige Selbstverpflichtung, alles datenschutzrechtlich sauber zu handhaben, reiche nicht aus. Ich bin hier etwas irritiert, weil die CDU sonst auch immer Selbstverpflichtungen für das Mittel der Wahl hält und gesetzliche Regulierungen ablehnt. Und von Datenschutz lasse ich mir von dieser Leyen-Truppe nichts erzählen.

Nummernschilder und Gesichter werden ohnehin verpixelt, bei Häuserfronten beruft sich Google auf die Panoramafreiheit. Es gibt meines Wissens schlicht kein Gesetz, was irgendjemandem verbieten kann, eine Häuserfront zu fotografieren. Speziell in Hamburg möchte man das ändern: Privatleuten soll die Möglichkeit eingeräumt werden, jedes Bild löschen zu lassen, auf dem sie abgebildet sind. Bisher haben sie das gesetzlich verbriefte Recht darauf nur, wenn sie den Hauptteil des Bildes ("formfüllend") ausmachen. Der Deutsche Journalistenverband warnt vor einem Eingriff in die Rechte von Fotografen - auf nichst anderes wird das Lex Google nämlich hinauslaufen. Im schlimmsten Fall kann die Veröffentlichung von Bildern einer Demonstration verboten werden, da keine Einwilligung aller 10.000 Teilnehmer vorliegt.

Die Aufregung der letzten Wochen hatte aber noch einen ganz anderen Grund. Es stellte sich nämlich heraus, dass Google nicht nur fotografierte, sondern auch Informationen über private WLANs abgriff. Neben der wirklich notwendigen MAC-Adresse zeichnete man ebenfalls den Namen des Netzwerkes auf, für mich nicht nachvollziehbar. Besonders wütend war die Öffentlichkeit, dass Teile der übetragenen Informationen ("Payload") wie Emails ebenfalls gespeichert wurden. Google entschuldigte das mit einem Programmierfehler.

Leider wurden in all der Aufregung zwei wesentliche Punkte übersehen. Zum einen wird das Verfahren seit Jahren angewandt, weltweit führend ist die Firma Skyhook Wireless. Beim WPS (Wireless Positioning System) werden bekannte Positionen von WLAN-Netzen zur Ortsbestimmung genutzt. Gerade in städtischen Häuserschluchten ist die Ortsbestimmung über GPS recht unzuverlässig und kann durch WPS entscheidend verbessert werden. Viele heute verfügbare Produkte (Smartphones, viele Apple-Systeme) nutzen das Verfahren längst. Zum anderen hat Google selbstverständlich keine privaten Netzwerke geknackt. Das ist zwar theoretisch kein Problem, dauert aber mindestens 10 Minuten. Im Vorbeifahren ist das nicht zu machen. Und mit den gespeicherten Daten ist außer WPS nichts sinnvolles anzufangen. Das sind nur Informationsfetzen, aus denen niemand schlau werden kann.

Was man Google in jedem Fall vorwerfen muss ist die Heimlichkeit, mit der das Unternehmen agierte. Wenn Datenschützer sagen, das WLAN-Scannen sei nie Teil der Gespräche über Street View gewesen, dann glaube ich ihnen das und halte das Verhalten von Google für unentschuldbar. Sicher wird mit zweierlei Maß gemessen: Was bei Skyhook nie ein Problem war, soll Google nicht erlaubt sein. Aber Google ist eben kein beliebiges Unternehmen oder ein Forschungsinstitut. Damit müssen sie leben und ihre Kommunikation entsprechend ausrichten.

Nur sehe ich immer noch das Problem nicht, verglichen etwa mit dem Verhalten der Europäischen Komission. In einer Vorlage für das Europäische Parlament war von einem "Frühwarnsystem" gegen Kindesmissbrauch die Rede. Was tatsächlich gemeint war: Die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf jede Anfrage bei einer Suchmaschine. DAVON kriege ich Albträume, nicht von Bildern von meinem Haus. Und in dieser Sache sind mir noch keine Aktivitäten der deutschen Datenschutzbeauftragten bekannt geworden.