Wie politisch sind die Simpsons?

Ich hatte neulich eine kurze Diskussion darüber, wie politisch eigentlich die Simpsons sind. Die Gegenseite war der Meinung, man dürfe das subversive Element in der Serie nicht überbewerten, es handele sich in erster Linie um Unterhaltung.

Schaut man sich an, welche prominente Position politische Themen bei den Simpsons haben, lässt sich diese Ansicht meiner Meinung nach nicht aufrechterhalten. Vielleicht hat die Verwirrung damit zu tun, dass die Macher der Serie etwas anstreben, was im deutschen Fernsehen eher unbekannt ist: Ein Crossover von Unterhaltung und ernsthafter politischer Satire, von Anspielungen auf Religion und Bildung, von versteckten Verweisen auf Popkultur und klassischer Bildung. Kurz: Eine atemberaubende Vielschichtigkeit.

In gewisser Weise erinnert das sehr an die Daily Show. Sie läuft auf einem Comedy-Kanal, ist (fast) immer polemisch und satirisch, und beschreibt sich selbst als "Fake News". Jon Stewart, das Gesicht der Sendung, ist selbst der Meinung, in erster Linie unterhalten zu wollen und damit keine journalistische Verantwortung zu haben. Das halte ich aber für eine gewollte Untertreibung, für einen Teil der Inszenierung. Denn bei der Daily Show findet sich genauso viel oder sogar mehr "echte" Nachricht wie in traditionellen politischen Magazinen.

Ebenso wie Stewart haben die Simpsons auch den Anspruch, zu unterhalten. In einem Interview sagt Matt Groening, durch den Verzicht auf einen Laugh Track können mehr Witze eingebaut werden. Es ist sicher schwer zu bestimmen, ob nun der Unterhaltungsaspekt wichtiger ist als das politische Element. Jedoch gehören politische Kommentare seit Beginn der Serie zu ihrer Identität. Insofern können sie gar nicht überbewertet werden, da sie integral für das Selbstverständnis der Show sind. Allerdings können sie natürlich auch nicht permanent in den Vordergrund gerückt werden. Sonst wäre der für die Satire nötige Abstand zum Sujet hin, der Humor würde nicht mehr funktionieren. Werden die Simpsons in jüngster Zeit weniger subversiv? Das kann ich nicht beantworten. Vielleicht ist es richtig, dass politische Kommentare weniger krass sind als früher.

In jedem Fall ist und bleibt die Themenvielfalt groß. Eine kurze Auswahl:
  • Homo-Ehe (There's Something About Marying)
  • Waffenbesitz (The Cartridge Family)
  • Evolution vs. Kreationismus (The Monkey Suit)
  • Wahlkampagnen (Mr. Lisa Goes To Washington)
  • Atomstrom (Dauerthema)
  • Meinungsfreiheit (Bart-Mangled Banner)
  • Irakkrieg (The Day The Earth Looked Stupid)
  • Wahlfälschung
Natürlich muss man als Zuschauer die Themen kennen, auf die angespielt wird. Um den Witz des Titels der Homo-Ehe-Episode zu verstehen, ist es schon notwendig, den Original-Titel von Verrückt nach Mary zu kennen (There's Something About Mary). Ich glaube dennoch, auch als Nicht-US-Innenpolitik-Experte versteht man Homer Simpson Tries To Vote For Obama. Zudem treten regelmäßig bekannte US-Politiker oder deren Angehörigen auf, zuletzt Michelle Obama.

Und wer noch ein letztes Argument braucht, warum die Simpsons mehr als "bloß" Unterhaltung für Kinder sind: In der Schweiz sind die Simpsons nach Intervention einer besorgten Mutter als jugendgefährdend eingestuft worden. Sie hatte "unter anderem eine Folge bemängelt, in der es einen Einbruch und einen Mord gibt, wo ein Familienvater zum Tode verurteilt wird und auf den elektrischen Stuhl kommt, wo er auf seine Hinrichtung wartet."