Die masochistische Freiwilligkeit der Superstars

Wir sind hier ja nur ein Außenposten der wahren Zentralstelle für unwichtige Mitteilungen. Die hat ihr Hauptquartier am Rhein aufgeschlagen, in Düsseldorf, um genau zu sein. Obwohl man dort laut neuesten Erkenntnissen besser als in Sydney lebt, oder gerade deswegen, wendet sich die Rheinische Post gern den wirklich wichtigen Themen zu. Besonders einem Thema: Schweinegrippe Wirtschaftskrise Hundert Tage Obama Annemarie Eilfeld. Kennen Sie nicht? Ging uns bis vor kurzem auch so.

Hat sich aber seit der 6. Mottoshow von Deutschland sucht den Superstar geändert. Wir wissen nun: Es handelt sich um die neue Marilyn Monroe. Gut, sie sieht eher so mittelmäßig aus, hat die erotische Ausstrahlung einer ausgebeulten Feinrippunterhose, ist immerhin aber - Bild klärt uns auf - stimmsicher.

Na und? Egal. Sie hat nämlich verstanden, wie die Ökonomie der Aufmerksamkeit funktioniert: Es genügt völlig, Bilder zu produzieren, die es in die Fotostrecken der Klick-geilen Onlinemedien schaffen. Das Papa dahintersteckt, ist kein Geheimnis. Sie ist nicht berühmt, weil sie etwas so gut kann. Sie ist berühmt, weil sie berühmt ist. Die unvermeidliche Paris Hilton hat es vorgemacht: Nichts können ist noch lange kein Grund, nicht doch unglaublich viel Geld zu verdienen und Vorbild für Millionen zu sein. Weil Annemarie leider keine geborene Hilton oder Ozzborne ist, nicht einmal eine adoptierte Ritchie, fehlt ihr nur das Startkapital. (Das ist wie beim Geld verdienen: Die erste Million ist immer die schwerste.)

Daher greift sie in die Casting-Show Trickkiste. Um jeden Preis will sie ihre 10 Minuten Ruhm. Und lässt sich dafür auf einen Dieter Bohlen ein, dessen größte Leistung wahrscheinlich in einer überaus erfolgreichen Kooperation mit Bild besteht. Dafür kasteit sie sich, unterwirft sich, setzt sich den Schlägen eines mittelmäßigen Produzenten aus: Kein entgegengeschleudertes "Everybody's Arschloch" kann sie auf dem Weg nach oben aufhalten.

Wir werden nie wissen, was sie wirklich kann, wer sie wirklich ist. Wir werden sie nie für etwas wirklich Großes wertschätzen können. Sie hat zwar verstanden, wie Medien funktionieren. Was Bunte und Gala aber bewirken, das muss ihr unverständlich bleiben. Weil sie nun Teil der Medienmaschinerie ist, die sie bald wieder ausspucken wird. Vielleicht findet Annemarie noch einen Gurkenlaster zum kollidieren, vielleicht kann sie in einem gefakten Plastikdschungel noch ein paar Kakerlaken vertilgen und nebenher ihre neuen Plastiktitten vorzeigen. Und dann? Ist sie ausgebrannt, leer, im für sie bestenfalls noch eine Witzfigur wie Kader Loth. Wir werden ein letztes Mal über sie lachen, wenn wir Kalkofes Mattscheibe sehen.

Hätte sie nur Deutschlandradio Kultur gehört: Ist die linke Kulturkritik am Ende? Zum Phänomen der Castingshows.

(Die Eingangsfrage lautete, "Wenn Ihr Sohn, Herr Hörisch, Ihre Tochter nächstens sagt, Papa, ich bewerb mich bei Deutschland sucht den Superstar, find ich nämlich super, was sagen Sie dem Kinde?")