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The Shadows - Apache

Wissenschaftsjournalismus

Der Stand dieser Disziplin ist recht bedauernswert. Eigentlich darf man hier nicht einmal von einer Disziplin sprechen. Wahrscheinlich gibt es so was überhaupt nicht.

Aktuell: Meeresbiologen haben sich die Menge an Phytoplankton angeschaut, die durch die Ozeane schippert. Also die kleinen Pflanzen, von denen sich das Zooplankton ernährt, Krebse zum Beispiel. Unstreitig ist, dass es in den letzten 100+ Jahren einen drastischen Rückgang gibt. Im Nature-Artikel sprechen die Autoren von einem Rückgang von etwa 1% pro Jahr seit den späten 1800ern.

Den Aufmacher für die zahlreichen Artikel ist in aller Regel, dass seit den 1950ern die Plankton-Menge um 40% abgenommen hat. Komisch komisch: Im erwähnten Artikel steht davon aber nichts. Ich habe auch nach dreimaligem Durchlesen eben diese Zahl nicht finden können. Auch die Angabe der 1%-Abnahme macht in diesem Zusammenhang keinen großen Sinn. Denn in diesem Fall stünden wir heute noch mit etwa einem Drittel der Menge an Plankton da, die es noch zur vorletzten Jahrhundertwende gab. DAS wäre doch mal ein Aufhänger gewesen. Die einzige Meldung, deren Autor den Artikel auch gelesen zu haben scheint, schreibt nichts von dieser Zahl.

Bei einem Rückgang von 1% sehen die Prozentangaben wie folgt aus:
  • 1890 - 1950: 100% --> 54,72%
  • 1951 - 2008: 54,72% --> 30,24%
Seit 1951 hätte dann also ein Rückgang um 44,74% stattgefunden. Sollten die 40% korrekt sein, war der Rückgang also kleiner als erwartet.

Über die weitere Auswertung des Artikels muss man gar nicht sprechen. Dass steigende Temperaturen ein Faktor sind, ist klar. Es kommt aber so gut wie gar nicht rüber, dass es auch andere Einflüsse geben muss. Denn die Variabilität der "Abnahme" ist extrem hoch. Im südlichen Pazifik zeigen die Aufzeichnungen eine starke Abnahme in den 1960ern sowie eine große Spitze Ende der 1990er. Alles andere als einen klaren Trend also. Und in einigen Regionen gibt es keine Abnahme, sondern eine starke Zunahme: Im südlichen Indischen Ozean geht die Plankton-Masse gegenwärtig geradezu durch die Decke.

Und natürlich wird nicht darauf verwiesen, dass die Suche nach erklärenden Faktoren sich auf physikalische und klimatische Ursachen beschränkte. Der naheliegende Einfluss der Fischerei wurde nicht untersucht.

Schwierige Entscheidung

Abzählbar unendlich

zwei dinge sind unendlich, internetpornografie und albert einstein-zitate, und bei der internetpornografie bin ich mir sicher.

Ruben Cossani - Raus

Keine Homophobie

Der CSD in Leipzig hat Post bekommen, von einem Chemnitzer CDU-Ortsverbandsvorsitzenden.
Sehr geehrte Damen und Herren,

eines vorweg. Ich leide nicht an Homophobie. Allerdings finde ich es unerträglich, wie Sie Ihre Lebensweise in die Öffentlichkeit tragen und somit einer Vielzahl von Menschen regelrecht aufdrängen. Lebens Sie, wie Sie wollen, im Privaten und lassen Sie andere mit Ihrer Abnormalität in Ruhe. Und nun noch ein paar Worte zu dem Interview bei MDR Info am vergangenen Wochenende. Durch Ihre öffentlichen Auftritte und das Zurschaustellen Ihrer Lebensweise gilt Homosexualität in einer immer liberalen werdenden Gesellschaft inzwischen als "Trendy". Und somit verleiten Sie Jugendliche, die sich in einer sexuellen Findungsphase sind. Jedoch war die Äußerung einer Konfrontation mit Homosexualität gegenüber Kindergartenkindern eine unerträgliche Unverschämtheit. Sollte dies in diesem Land tatsächlich passieren und Kinder schon im Vorschulalter mit Homosexualität konfrontiert werden, werde ich der erste sein, der die Verantwortlichen dafür vor Gericht bringt.

Mit freundlichen Grüßen Kai Hähner
 Sehr schön finde ich die deeskalierende Reaktion des CSD. Sie wollten wohl gar nicht, dass die Email öffentlich wird.

Neues aus der Werbung


Bwahaha

Internetklassiker

Ist zwar noch keiner, wird aber einer :)
Darf ich vorstellen: Rageguy, aka fffuuu.


Am genialsten sind die "Everything went better than expected".

WTF?

Bei Windows XP ist es nicht möglich, einem Ordner den Namen "Con" zu geben. Keine Ahnung, ob das auch bei Win 7 noch zutrifft.

UPDATE: Ja, geht auch bei WIN7 nicht.

Und hier ist der Grund:
Microsoft KB-Artikel
Seite mit Erklärung

Bill Preston - Get Back

Red Hot Chili Peppers - Road Trippin'

Who's sorry now?

Das Ende einer Ära

In den USA geschehen all die Entwicklungen, die uns noch bevorstehen. Deswegen werden dort auch die Artikel geschrieben, die bei uns fehlen. Sei es, weil die Entwicklungen hier noch nicht so klar zutage treten, sei es, weil dort die aufmerksameren Journalisten leben.

Hier also der Artikel, auf den ich schon lange gewartet habe. Nicht dem Tenor nach, sondern in dieser Detailliertheit, in dieser Schärfe und Eindeutigkeit. Das Magazin The Atlantic schreibt über etwas, das hier noch keiner in Länge und Breite zu argumentieren wagt: The End of Men.
Earlier this year, women became the majority of the workforce for the first time in U.S. history. Most managers are now women too. And for every two men who get a college degree this year, three women will do the same. For years, women’s progress has been cast as a struggle for equality. But what if equality isn’t the end point? What if modern, postindustrial society is simply better suited to women?
Ich sage es ganz ehrlich: Ich habe Angst. Und ich meine, das ist berechtigt. Ich glaube nicht wirklich an eine Gesellschaft, in der Macht und Einfluss gleich verteilt sind. Irgendeine Gruppe wird immer versuchen, ihre "Gegner" kleinzuhalten. Am schwierigsten ist es, wenn Entwicklungen gerade im Entstehen sind, wenn noch nicht so klar ist, wohin die Reise eigentlich geht. Bedauerlicherweise machen sich darüber zu wenige Gedanken, daher ist es fast sinnlos, hier eine Diskussion anzufangen.

Schlussendlich wird jede Gesellschaft von wirtschaftlichen Erwägungen getrieben. Denn ohne Wirtschaft ist alles aus. In den 100,000 Jahren der Menschheitsgeschichte war es nie anders: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral. Und auf individueller Ebene lässt sich kaum etwas machen. Wir sind Sklaven eines Systems, auf das wir kaum einen Einfluss haben, nicht einmal die Mächtigsten unter uns. Moral kann in Zweifelsfällen eine Entscheidung erleichtern. Aber alles in allem schubst uns das System in eine bestimmte Richtung. Es verschafft die positiven Anreize und negativen "Abstöße", die über längere Zeit unsere Entscheidungen prägen. Die unser Leben formen.
Man has been the dominant sex since, well, the dawn of mankind. But for the first time in human history, that is changing—and with shocking speed. Cultural and economic changes always reinforce each other. And the global economy is evolving in a way that is eroding the historical preference for male children, worldwide.
Es scheint, als seinen Frauen einfach besser angepasst an unsere moderne Gesellschaft, in der Kooperation letztlich mehr zählt als Konkurrenz. Und wenn der Einzelfall stark abweichen kann vom statistischen Mittel: Wir sprechen hier gerade über Aggregate, nicht über Lieschen Müller und Hubert Schmidt. Man sieht den Wald eben besser, wenn man nicht auf den einzelnen Baum achtet. Der Wald, das sind konkurrierende Männer. Darin sind sie wirklich gut. Allerdings produziert es auch viele Verluste, denn es kann nur einen geben. In der gegenwärtigen Gesellschaft ein zum Scheitern verurteiltes Modell.
As thinking and communicating have come to eclipse physical strength and stamina as the keys to economic success, those societies that take advantage of the talents of all their adults, not just half of them, have pulled away from the rest. And because geopolitics and global culture are, ultimately, Darwinian, other societies either follow suit or end up marginalized. In 2006, the Organization for Economic Cooperation and Development devised the Gender, Institutions and Development Database, which measures the economic and political power of women in 162 countries. With few exceptions, the greater the power of women, the greater the country’s economic success.
In der letzten Rezession haben vor allem Männer Arbeit verloren. Es waren eben die körperlich anstrengenden, gefährlichen Jobs, die zuerst verloren gingen. Die traditionellen Industriejobs. In einer Gesellschaft, die sich von der Industrie zur Informations/Dienstleistung orientiert, kein Wunder.
The postindustrial economy is indifferent to men’s size and strength. The attributes that are most valuable today—social intelligence, open communication, the ability to sit still and focus—are, at a minimum, not predominantly male.
Aus irgendeinem Grund scheinen Männer weniger anpassungsfähig als Frauen. Ich weiß wirklich nicht, warum, aber ich glaube, das ist eine korrekte Analyse. Auf der anderen Seite wurde die Gesellschaft - besonders die Wirtschaft - auch aktiv an die Bedürfnisse von Frauen angepasst. Da diese in Massen in die Wirtschaft strömen, passen sie wiederum ihre Umgebung weiter an ihre Bedürfnisse an. Eine der üblichen Spiralen also. Wer sich mit dem Phänomen nicht tiefgründiger beschäftigt, sieht wahrscheinlich nur auf die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Konzerne. Hier ist die Lagge - aus Frauensicht - nach wie vor düster. Das sagt aber nichts über den Trend aus. Über kurz oder lang wird sich das erheblich ändern, die Politik macht es vor.

Ich sagte oben, dass mir die Entwicklung Angst macht. Warum? Fühle ich mich persönlich bedroht? Das ist sicherlich teils richtig. Wenn in einer Stellenanzeige steht, dass Frauen bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, dann habe ich ein Problem. Aber das ist bei weitem nicht alles. Mir macht es eher Sorgen, dass wir bald mit einer wachsenden Gruppe junger Männer zu kämpfen haben, die schlecht ausgebildet sind, die für sich keine Perspektive im Leben sehen. Und das dürfte nichts neues sein: Wenn es um "echte" Aggression geht, machen Frauen Männern nichts vor. Dann fliegen die Fetzen wirklich. Ich habe Angst, dass sich unsere Gesellschaft weiter differenziert. Dass wir (wieder) die Klassengesellschaft vor uns haben. Und ich glaube nicht, dass Frauen angesichts dieser Schwierigkeiten bessere Entscheidungen treffen als die männlichen Führer der vergangenen Jahre. Sie sind eben nicht moralischer, besser, Wesen von einem anderen Stern.

Männern fehlt eine echte Perspektive. Frauen können heute im Prinzip alles machen. Manche Entscheidungen werden mit Verlusten verbunden sein, etwa Kinderlosigkeit. Aber Männer haben diesen Luxus nicht. So gut wie keine Frau wird tatsächlich einen Partner als Hausmann akzeptieren. So gut wie keine Frau wird unter ihren soziodemographischen Möglichkeiten einen Partner suchen. Das ist eine dämliche Illusion.
It is fabulous to see girls and young women poised for success in the coming years. But allowing generations of boys to grow up feeling rootless and obsolete is not a recipe for a peaceful future. Men have few natural support groups and little access to social welfare; the men’s-rights groups that do exist in the U.S. are taking on an angry, antiwoman edge. Marriages fall apart or never happen at all, and children are raised with no fathers. Far from being celebrated, women’s rising power is perceived as a threat.
Ich glaube, wir bräuchten hier und jetzt ein Umdenken, dass nämlich Männer (Jungen) mindestens so stark gefördert werden müssten wie Frauen, um sie auf die Zukunft vorzubereiten. Ich glaube aber ebenso sehr, dass genau das nicht geschehen wird. Morgen war gestern irgendwie angenehmer. Morgen ist die gespaltene Gesellschaft. Morgen ist die einsame Gesellschaft.

Obrint Pas - Som

Schnell schnell

Ich habe schon ein bisschen zu lange gewartet, aber egal. Ehe es also die große Runde (Tagesschau, Spiegel Online etc) macht: Ich sage mal voraus, dass im Golf von Mexiko weiterhin Öl austreten wird. BP hatte es ja endlich geschafft, ein Ventil auf der Quelle zu installieren.

Wie das Netz aber schon vor Wochen geflüstert hatte, ist höchst wahrscheinlich die ganze unterirdische Apparatur im Eimer. Wird also die Quelle oben dicht gemacht, sickert das Öl aus den Bruchstellen in den Leitungen unter dem Meeresboden und tritt an anderen Stellen wieder aus. Denn so steigt der Druck in der Leitung, was dazu führt, dass sich das Öl durch die lecken Stellen quetscht. (Ich dachte, dass ich das irgendwo schonmal erwähnt hätte, aber das scheint nicht der Fall zu sein.) Das war jedenfalls die plausibelste Erklärung, warum die Operation "Top Kill" nicht funktionieren konnte. Außerdem gibt es ein schönes Video, auf dem jede Menge Öl-Austrittstellen zu sehen sind, nicht nur an der Quelle selbst.

Nun tritt wohl genau dieser Fall ein. Ich hätte vorher eine Wette drauf abschließen sollen :/

Jacques Loussier Trio - Sarabande

Die einzige Demokratie im Nahen Osten

So sieht sich Israel jedenfalls selbst. Der Beobachter möge selbst urteilen und sich vergleichbare Szenen im Bundestag vorstellen.



Hintergrund

WM 2010: Fazit

Ich hab da mal ne Frage

An der Mauer zwischen den Deutschlands sind mindestens 136 Menschen gestorben, je nach Zählweise können es auch 245 sein. Sagen wir also: 245 Menschen sind mit voller Absicht umgebracht worden, weil sie über eine Grenze wollten. Sagen wir, sie sind ermordet worden.

Wie ist das eigentlich, wenn man jemanden nur fahrlässig tötet, weil er über eine Grenze will? In der Wüste zwischen den USA und Mexiko sterben jährlich (!!!) etwa 450 Menschen. Dieses Jahr werden es wohl besonders viele.

Natürlich versuchen die Grenzpolizei und private Organisationen, so viele Menschen zu retten wie möglich. Im letzten Jahr sollen das über 1300 gewesen sein. In Mexiko werden Warnschilder aufgestellt, in der Wüste gibt es Rettungssender, die die Illegalen aktivieren können, damit die Grenzpolizei sie abholt. Hilfsorganisationen legen Wasserdepots an.

Trotzdem fühlen die Illegalen sich gezwungen zu kommen, und müssen das auf dem denkbar gefährlichsten Weg tun. Je dichter die Grenze gemacht wird, desto mehr weicht man in abgelegene Gegenden aus, desto größer wird die Gefahr. Achso - wenn sie legal kommen dürften, müssten sie überhaupt nicht durch die Wüste und könnten völlig risikolos einreisen.

Also: Wie viele fahrlässig getötete lateinamerikanische Illegale sind so viel wert wie ein ermordeter deutscher Republikflüchtling?

Mad Caddies - Hound Bound

Nicht mal ne halbe Flasche Whiskey reicht aus ...


yes I'm leavin
yes I'm leavin you behind
I'm still believing
what we had was really never mine
lookin back a blank expression
penetrated silence into me
and I'm startin to bleed

Jetzt neu!

Endlich ist sichere Kommunikation im Internet möglich - der Deutschen Post sei dank. M(((
Aber solange man damit nur die Doofen wegfangen will, hat es wohl wenig Sinn, sich darüber allzusehr zu echauffieren.

Kann ich helfen?

Alles was man wissen muss

Neue Excel-Funktion: Bomben entschärfen


Mickys verschollener Zwillingsbruder

Banda Bassotti - Arbeitsloser Marsch

Jetzt

Wie sagt es Bildblog so schön: "Jetzt" steht bei der Bild für einen "Zeitraum, der grob zwischen einem, drei, fünf und 22 Jahren liegt".

Die Welt handhabt das nicht anders, ist ja der gleiche Konzern: "Jetzt haben Forscher entdeckt, dass Zigaretten auch das Erbgut beeinflussen – in einem extrem hohen Ausmaß." Das habe ich schon vor 7 Jahren herausgefunden, beim Lesen meines Biopsychologie-Buches nämlich.

Ok ok, es ist wohl eher der Anreißer. Im Artikel steht durchaus, dass es sich nur um die größte Studie zum Thema bisher handelt. Wahrscheinlich wollte ein Redakteur das Stück noch ein wenig aufpeppen. Trotzdem: Willkommen in der neuen medialen Volksverdummungsmaschine.

Die Ölpfütze, die einst ein Meer war

The Specials - Too Hot

Immer die anderen

Huch. Das hätte ich nicht erwartet: Der Toyota-"Skandal" ist keiner. Angeblich war der japanische Autohersteller ja für hunderte Opfer verantwortlich, weil durch klemmende Gaspedale das Auto unkontrolliert in die Leitplanke beschleunigte.

Quark, sagt jetzt das US-Verkehrsministerium: Die Fahrer haben Gas und Bremse verwechselt. Und was macht die Presse? Die vierte Gewalt hat nie in Zwischentönen berichtet. Für die war alles schon immer klar: Toyota hat Schuld. Bis heute, jetzt hat man es schon immer gewusst, dass da etwas nicht ganz stimmen konnte.

Spiegel Online:
"Eine Unschuldsvermutung gab es nie in den USA, obwohl Zweifel von Anfang an angebracht waren. So hätte auch kritischen Betrachtern in den USA auffallen müssen, wie sich die Zahl der Fälle plötzlich häufte, in denen "unschuldige" und "vorsichtige" Autofahrer von ihren angeblich kaputten Toyotas in andere Verkehrsteilnehmer, Leitplanken und Hauswände getrieben wurden. Nachdem erste Unfälle in den Medien aufgetaucht waren, verzehnfachten sich die Beschwerden. Die Begründung, Gaspedale seien irgendwo "steckengeblieben", hinterfragte kaum ein Experte."
Dass es beim Spiegel schon lange keine Experten mehr gibt, ist nichts neues, Dass man sich selbst für unfähig hält, kritisch zu sein, ist natürlich ebenfalls eine korrekte Einschätzung. Das in dieser Offenheit zuzugeben, hätte ich allerdings nicht erwartet.

Bei den anderen selbsternannten Qualitätspresseorganen schaue ich lieber nicht nach, sonst mach ich hier noch das Rumpelstilzchen.

The Wire

Na toll. Da habe ich die letzten 3 Tage wirklich damit verbracht, mir die 5 Staffeln von The Wire anzusehen. Aber das war es wert. Es handelt sich schließlich um die beste Serie der Welt. Sagt Metacritic. Weil es stimmt.

Normalerweise finde ich Serien nach einer kurzen Zeit recht langweilig. Der Plot wiederholt sich, man sieht die Entwicklungen meilenweit voraus. Die Charaktere sind schnell farblos, facettenarm. Die Themen drehen sich um das immer gleiche, die Witze sind fad. Bei The Wire ist alles anders.

Baltimore ist die größte Stadt in Maryland. Etwa eine Stunde fährt man nach Washington, zwei nach Philadelphia. Groß ist vor allem die Vergangenheit der Stadt. Edgar Allen Poe wohnte hier. Ihre Städtepartnerschaft mit Bremerhaven kommt nicht von ungefähr. Außer in New York betraten in keiner anderen US-Stadt mehr Emigranten zum ersten Mal God's Own Country. 1950 wohnten stolze 950,000 Einwohner an der Chesapeake Bay. Der Hafen und die Schwerindustrie bildeten das wirtschaftliche Rückrat. Heute sind es gerade noch 640,00, und es werden jährlich weniger. Was Detroit im Nordosten ist, stellt Baltimore an der Atlantikküste dar: Den amerikanischen Albtraum vom Niedergang der großen Städte.

Was ist passiert? Stadtverfall nennt Wiki das. Es begann wohl mit der weißen Mittelschicht, die aus der Stadt in den Speckgürtel zog, White Flight genannt. Einer der Gründe war die Rassentrennung, ein anderer die Anbindung der Vorstädte an ein Autobahnnetz und die allgemeine Verfügbarkeit des Automobils. Es blieben die Armen, die Schwachen, die Alten, kurz: Die Minderheiten. Der Stadt, in der die reichen Vorstädter ihr Geld verdienten, brach schnell die Steuerbasis weg. Und eine Stadt, die kein Geld für Infrastruktur ausgeben kann, ist schneller tot als Soziologen einen Artikel darüber schreiben können. Kein Geld für Öffentlichen Nahverkehr, kein Geld für Schulen, kein Geld für Polizei.

Dazu muss man vor allem wissen, dass Schulen und Polizei in den USA kommunal organisiert werden. Natürlich gibt es Zuschüsse von den Bundesstaaten und der Bundesregierung. Aber aufgrund der künstlichen Einschränkung der Einnahmen, besonders unter Reagan, trocknete auch dieser Geldstrom aus.

Viele amerikanische Innenstädte sehen furchterregend aus. Drogenhandel an den Ecken. Ganze Viertel von Abbruchhäusern. Ganze Zeltstädte von Obdachlosen. Machtlose Schulen, machtlose Polizei. Das ist die Welt, in der The Wire spielt. Was diese Serie so besonders macht, ist die Wut, die Leitenschaft, mit der sie all das darstellt, was schief gelaufen ist und schief läuft in den amerikanischen Städten. Sie liebt Baltimore wirklich. Häufig erwischt man sich selbst bei dem Gedanken: Wie schön könnte es hier sein? Und wie grausam ist die Realität?

Mittelpunkt von The Wire ist eine Einheit, die die großen Drogenbosse durch Abhöraktionen erwischen will - daher der Name. Doch das wird fast unmöglich gemacht durch Geldmangel, politische Intrigen und die Intelligenz ihrer Gegner. Die Drogenhändler sind in erster Linie pragmatische Unternehmer. Zuerst kommt das Business. Sie sind brilliante Kapitalisten. Der einzige Unterschied zu legalen Unternehmen ist, dass sie ihr Produkt unter etwas ungünstigen Bedingungen an den Junkie bringen müssen. Und ist erstmal genügend Geld zusammengekommen, versuchen einige der Bosse, in den legalen Sektor (vor allem Immobilien) zu kommen. Dabei helfen Drogenanwälte sehr gerne. Es ist soviel Geld im Spiel, dass für jeden etwas abfällt. Wer auch immer sich durchsetzen kann, wird im Handumdrehen reich. Sehr reich.

Allein die Darstellung dieses ökonomischen Kreislaufes ist so brilliant, dass es dem Zuschauer den Atem verschlägt. Endlich versteht man, warum der Krieg gegen Drogen nicht funktionieren kann. Werden Drogen beschlagnahmt, steigt einfach nur der Preis - was wiederum den Anreiz erhöht, weiter Drogen zu verkaufen. Einfachstes Wirtschaftswissen. Und deswegen: Um Gottes Willen, legalisiert endlich Drogen.

Von einem einzelnen zu erwarten, aus dieser Gesellschaft auszubrechen, ist lächerlich. Wohin sollte er? Ohne Schulabschluss, ohne Familie, in Unkenntnis der Sitten der "normalen" (also unserer) Welt. In einer Szene sieht man einen 15, 16-jährigen, der rauswill. Er liest die Stellenanzeigen. Angebote gibt es nur für Leute mit guter Ausbildung. Die einfachen Jobs, die Gelegenheitsarbeiten, die sind schon lange verschwunden. Wovon soll er also leben?

Vielleicht die beste Staffel ist die vierte. Darin geht es schwerpunktmäßig um eine Middle School (6. - 8. Klasse). Die Lehrplaninhalte sind lächerlich für Jugendliche, die täglich um's Überleben kämpfen. Wozu sollen sie griechische Tragödigen lernen? Ihr Mathelehrer kann sie aber schnell für Wahrscheinlichkeitsrechnung begeistern: Damit kann man nämlich beim Würfeln gewinnen. Zu viel mehr reicht es aber nicht. Kein Wunder, denn die Schüler müssen nach Schulschluss ja noch arbeiten: Sie stehen an den Drogenecken und verkaufen. Oder bewachen den Ort. Oder halten Ausschau nach der Polizei.

Leider war die Serie kommerziell nicht besonders erfolgreich. Gerade wegen der Komplexität muss man die meisten Folgen gesehen haben. Entwicklungen werden bisweilen nur angedeutet und das Personal ist umfangreich. Daher wurde The Wire nach fünf Staffeln eingestellt. Schrecklich. Aber nicht so schrecklich wie der amerikanische Albtraum.



Übrigens: Der Autor der Serie, ein ehemaliger Polizeireporter der Baltimore Sun, glaubt nicht, dass sich irgendetwas ändern wird. In einem Interview sagt er:
The next time the drug czar or Ashcroft or any of these guys stands up and declares, "With a little fine-tuning, with a few more prison cells, and a few more lawyers, a few more cops, a little better armament, and another omnibus crime bill that adds 15 more death-penalty statutes, we can win the war on drugs" -- if a slightly larger percentage of the American population looks at him and goes, "You are so full of shit" ... that would be gratifying.

YmmD

War mal wieder auf Beichthaus, und nach unzähligen Beichten mit Comments, dass die Leser nach lesen dieser sehr erheitert gewesen wären (ich fand sie alle nicht lustig), fand ich diese Beichte hier:

Als ich heute meine Sommerräder aufziehen wollte, ist mir mal wieder meine eigene Blödheit vorgeführt worden. Ich hab mir extra ein Radkreuz ausgeliehen, Arbeitsdecke ausgebreitet, Getränke und wollte loslegen doch scheiterte schon an der ersten Radschraube. Das Ding wollte und wollte einfach nicht losgehen. Ich also mit aller Gewalt drauf rumgeprügelt, das Internet nach Tipps durchsucht, ein Rohr als Verlängerung aufgesetzt, mir eine schöne Macke in die Felge gehauen weil ich zu brachial war und sogar rumtelefoniert, welche Werkstatt mir einen Schlagschrauber zur Verfügung stellen könnte. Nach einigen Stunden und etwas Besinnung stellte ich dann fest: Ich habe die ganze Zeit in die falsche Richtung gedreht. Also einmal kurz in die andere Richtung gedrückt und schon hatte ich alle Schrauben los.

In den Comments fanden sich auch noch ein paar Juwelen wie diese hier:
Mein alter Lehrmeister sagte immer:"Seitdem das deutsche Reich besteht, wird die Schraube rechts gedreht!" und
"Nach fest kommt lose, dann kommt ab!"

Und anstatt einen weiteren Kommentar auf Beichthaus zu schreiben, der ja doch nur ins Echo mit einstimmt, schreib ichs einfach mal hier: You made my Day! Thank You.