Zimmer frei

Wichtiger Hinweis der Redaktion: Dieser Post wurde vom zuständigen Schreiberling im Affekt verfasst. Ein Henryk Broder für Arme, sozusagen. In Wahrheit ist die Welt gar nicht so schlecht, und solche bösen Dinge darüber zu schreiben ist total unfair. Doch wir in der Zentralstellen-Redaktion sind ganz ganz große Fans von Polemik und solchen Sachen, deswegen geht das schon klar.

Im Leben gibt es doch nichts schöneres, als eine neue Wohngemeinschaft finden. Im unbekannten lauert das Glück. Gemeinsame Abende mit den frischen Freunden, geteiltes Glück, halbes Leid, Partys und Konzertabende werden ab sofort zu deinem Alltag gehören, lieber Neuankömmling.

Oder nicht. Denn vor dem finden liegt das suchen. Das ist leicht getan, es gibt schließlich genug Seiten im Interweb, in denen die prospektiven besten Freunde ihr Heim annoncieren. Egal, dass es nicht lohnt, Anzeigen von vor zwei Wochen zu beachten. (In WGs wird der Müll bekanntlich nur sehr träge entsorgt.) Nicht schlimm, dass sich die Mehrzahl der Angebote in eher wenig attraktiven Stadtteilen befindet. Ebenfalls tolerabel: Mietpreise im Monat, mit denen man in Afrika Großfamilien für ein halbes Jahr ernähren kann. Hey, dem Vormieter kauft der Einzugsaspirant glatt die Möbel ab, wenn es notwendig sein sollte. Auch wenn man sie nicht wirklich braucht.

Nein, all das verursacht weder Migräne noch Depressionen. Aber dieser eine Satz, der ist tödlich: Ich wünsche dir für die weitere Suche alles Gute und ne nette WG! Weißt du was?



Du dämlicher Vollidiot, ich will kein Glück, sondern ein Zimmer. Und ja, wenn es denn möglich wäre, bei dir. Ach nein, jetzt eigentlich auch nicht mehr, selbst wenn du micht plötzlich anflehen würdest, bei dir einzuziehen. WG suchen ist so persönlich. Lieber Hans Wurst, wir haben uns gegen dich entschieden. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun, sei deswegen bitte nicht böse. Wenn das nichts persönliches ist, darf ich dann doch einziehen?

Der Nichtsahnende sei allerdings gewarnt: Es darf sich als Gewinner fühlen, wer überhaupt den Ablehnungsbescheid erhält. Nicht selten scheint es den verhinderten Mitbewohnern peinlich zu sein, das nichtausgewählten niederen Volk über sein Ungkück zu informieren. Auch sollen mehrere Casting-Runden bei der Bewerberauswahl nicht mehr als unmoralisch empfunden zu werden. Woran die Jury den idealen Kandidaten erkennen will, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Zweifellos wäre ein einwöchiges Probewohnen Mittel der Wahl.

Lieber WG-Suchende, sei gewarnt: Die Quellen des Scheiterns sind zahlreich. Jeder kann sich denken, dass zu viele Mitbewerber den Brei, äh Einzug, verderben. Doch auch zu wenige sind keine Lösung. Dann fehlt der Jury nämlich das Vergleichsmaterial. Vielleicht ist auch gutes Aussehen wichtig (Nägel machen lassen, noch mal die Schuppen vom Kopf kratzen, Pickel abdecken). Das wird jedoch nicht ausreichen, es tut uns leid. Selbstverständlich darf der Kandidat weder zu viele noch zu wenige Freunde haben. Entweder ist er dann zu häufig unterwegs / lädt zu viele Kumpels ein, oder er hockt dem WG-Altvolk ständig auf der Pelle und will bei jedem Kneipenabend dabei sein. Sei auch so gut und behaupte, gern und gut zu kochen. Das willst du vielleicht nicht unbedingt dadurch demonstrieren, dass sich dieser Sachverhalt an deinem Gewicht zeigt (siehe Punkt aussehen). Aber erwähne Tütensuppe und Fertigpizza mit keinem Wort, wenn du nicht auf YouTube in einem Worst-of-Bewerber-Clip landen willst. Sei locker und entspannt, aber nicht zu relaxed. Deine Nicht-Mitbewohner (das wird sowieso nichts, gewöhne dich dran) möchten sich schon für jemanden mit Zielen im Leben entscheiden. Was wollen die mit einem Almosen-Empfänger im dritten Zimmer? Der geht bestimmt nicht im Bioladen einkaufen. Lass aber auch nicht den Karriere-Typ raushängen. Dass du nach einem 12-Stunden-Tag noch gern kochst glaubt dir wirklich niemand.

Leider, leider ist es nicht möglich, alle Ursachen für's Versagen hier aufzuführen. Es sind derer einfach zu viele. Machen wir es kurz: Hast du eine günstige 1,5-Zimmer-Wohnung in Aussicht? Es wäre eine Überlegung wert.